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Die Schmiedegeschichte der Stadt Friesoythe
Auszüge aus „Die Geschichte der Stadt Friesoythe", herausgegeben von Albert Eckhardt im Jahre 2008
Friesoythe als Fürstbischöflich Münsterische Landstadt (1400 - 1648), Autor Christian Hoffmann (Seite 82/83)
Wohl erst vor dem Hintergrund des Niedergangs des Handels erstarkte das Schmiedehandwerk in der Stadt. Die Anfänge der Friesoyther Schmiedegilde liegen im Dunkeln. Wohl kaum handelte es sich bei der 1535 in Friesoythe erwähnten St. Johannisgilde um die Vereinigung der Schmiede, war der Schutzpatron der Gilde doch der Apostel Andreas. Zweifelsfrei tritt die Schmiedegilde Ende des Jahres 1599 in Erscheinung, als ihre Statuten erstmals schriftlich fixiert wurden. Die entsprechenden Bestimmungen waren seinerzeit allerdings schon in uhralten wolhergeprachten Gepruich. Eine wichtige Voraussetzung für das Aufblühen des Handwerks in Friesoythe bestand neben der Kunstfertigkeit der Schmiede darin, dass mit dem Raseneisenerz ein wichtiger Rohstoff für die Produktion in der unmittelbaren Umgebung der Stadt gewonnen werden konnte.
Statuten der Friesoyther Schmiedegilde vom 30. November 1599© Stadt Friesoythe Im Jahr 1599 gehörten zwölf Meister aus fünf Familien der Schmiedegilde an. Im Register der Personenschatzung von 1606 werden dann nur noch fünf Schmiede aufgeführt, während andere, noch sieben Jahre zuvor der Gilde angehörige Schmiedemeister nun als einfache Bürger oder gar als Tagelöhner bezeichnet werden. Ende des 16. Jahrhunderts waren in der Gilde die Familien Grummel und Wreesmann mit jeweils vier Meistern besonders stark vertreten. Nach dem Dreißigjährigen Krieg wurde die Schmiedegilde dann ganz eindeutig von der Familie Wreesmann dominiert. Der Einfluss der Familie Grummel hingegen war bis dahin erheblich zurückgegangen; sie war 1665 nur noch durch Wilke Grummel vertreten, einen Schmied von geringer Arbeit.
Die Hauptprodukte der Friesoyther Schmiede waren landwirtschaftliche Nutzgegenstände wie Sense (Schwade), Beil und Pflug. Daneben waren die Schmiede aber auch an Bauarbeiten beteiligt, wie etwa Heinrich Grummel 1604 die Bezahlung für die seit 1599 von ihm an der Friesoyther Wassermühle vorgenommenen Schmiedearbeiten quittierte. Der Gilde stand der Oldermann vor. Dieses Amt wechselte jährlich reihum unter den Schmiedemeistern. Das Amtsjahr wurde jeweils mit dem Gildefest am 30. November abgeschlossen; an diesem Tag übergab der Oldermann des abgelaufenen Jahres den Vorsitz an seinen Nachfolger.
Die Artikel der Friesoyther Schmiedegilde vom 30. November 1599 regelten vornehmlich die Aufnahme in die Gilde und das Verhältnis unter den Schmiedemeistern, etwa das Verfahren, wenn ein Geselle vom Dienst eines Meisters in den eines anderen wechseln wollte. Das Gildefest sollte jährlich am St. Andreastag (30. November) von einem der Meister ausgerichtet werden. Turnusmäßig fiel die Reihe dabei nacheinander an jedes Mitglied der Gilde. Streitigkeiten innerhalb der Gilde sollten vor dem Tag des Gildefestes durch Vermittlung der unbeteiligten Meister beigelegt werden. Außerdem war den Meistern bei der Strafe verboten, Ihre Ware an Händler zu verkaufen, die Handel trieben mit einem Schmied, der nicht der Gilde angehörte.
Es fällt auf, dass die 1599 festgehaltenen Regeln der Friesoyther Schmiede ausschließlich den geschäftlichen Umgang miteinander betreffen. Hinweise auf die religiösen Wurzeln der berufsständischen Vereinigung, die beispielsweise noch 1462 in Warendorf die Statuten der Schmiede nachhaltig geprägt haben, finden sich in den nachreformatorischen Statuten der Friesoyther Schmiede nicht. Die Statuten der Friesoyther Schmiedegilde waren vielleicht nach Absprache mit dem Stadtrat aufgestellt, aber von diesem nicht mitbesiegelt worden. Aus diesem Grund sollte es gut 60 Jahre später zum Streit kommen, da verschiedene Bürger die Rechtsverbindlichkeit der hier getroffenen Bestimmungen in Frage stellten.
Friesoythe bis zum Ende der Münsterischen Landesherrschaft (1648 - 1803), Autor Alwin Hanschmidt (Seite 144 - 147)
Das Handwerk war die zweite Säule der Friesoyther Wirtschaft. Die Schmiede bildeten darin die wichtigste Berufsgruppe. Das zeigt sich auch daran, dass die Schmiedegilde die einzige Zunft in der Stadt war. Nach einem zu vermutenden Niedergang während des Dreißigjährigen Krieges hatte dieses Handwerk bis zum 1700 ein kontinuierliches Wachstum aufzuweisen. 1660 wurden bei der Erneuerung der Gildestatuten von 1599 17 Meister genannt, im Personenschatzungs-register von 1665 18 Schmiede, von denen je sechs als geringer Schmied bzw. als junger oder neu anfangender Schmied bezeichnet wurden, 1692 bei der Revision der Statuten 23 Meister. In dem Verzeichnis von denen Eingesessenen Handtlern Gewerbs oder Handtwercks vom 3. Januar 1748 finden sich 12 Schwaadenschmit und vier Schlösser, im Seelenregister von 1750 17 Schmiede. 1748 hatte von zwölf Schwadenschmieden nur einer eine guhte Nahrung, zehn dagegen eine mittelmäßige und einer eine schlechte. Von den vier Schlossern hatten zwei eine mittelmäßige und zwei eine schlechte Nahrung.
Friesoyther Schmiedezeichen aus dem Jahre 1660© Stadt Friesoythe Sowohl die gegenüber 1692 deutlich zurückgegangene Anzahl der Schmiede als auch ihre zumeist nur mittelmäßige Nahrung zeigen die Schrumpfung dieses vordem wichtigsten Gewerbezweiges der Stadt. 1753 sprachen der Bürgermeister und die beiden Ratmannen von dem äußersten Verfall der vorhin hieselbst in besonders nützbahrer Flor gestandener Schmiede Arbeit, (die) jetz mehr fast völlig ruinirt und außer Standt gesetzet ist. Sie führten dies auch darauf zurück, dass der Verkauf der Friesoyther Sensen (Schwaden) und Sicheln nach Ostfriesland und Holland unter der Verlagerung des Durchgangsverkehrs nach Ellerbrock an der Marka gelitten habe. 90 und 60 Jahre vorher hatten die Friesoyther Schmiedemeister mit einem anderen Problem zu kämpfen: mit der Konkurrenz von einigen unzunfftmeßigen Schmiedten und Heckemeistern in ihrem Handtwerck, Gewerb unt Nahrung, die auf ihre heyllose Arbeit Friesoyther Schmiedezeichen schlugen und solche untäugtige Wahr in den benachbarten oist- unt dwestfriesischen Ländern und auch in holländischen Gebieten betrügerischerweise für rechte freyßoetische Arbeit unt Waar verkauften.
Dem suchte man mit der 1662 erfolgten Erneuerung der Gildeordnung zu steuern. Wer als Meister in die Gilde aufgenommen werden wollte, musste zum Beweis seiner Handwerkskunft im Beisein zweier Altmeister, des Richters, des regierenden Bürgermeisters und zweier Ratmannen als Meisterstück einen guten Schwaden ohne Ab- und Zusatz, ein Achterpflugeisen und ein gutes Handbeil anfertigen (Art. 1). Zur Kennzeichnung der Erzeugnisse waren auf jedes Stück zwei Markenzeichen zu schlagen: das der Werkstatt und das für die ganze Gilde verbindliche Gildemark. Dadurch sollte die Friesoyther Ware von der ausheimischen unterscheidbar sein (Art. 7 und 8). Wenn ein Knecht (Geselle) mit Erlaubnis seines Meisters höchstens zwei oder drei Schwaden für sich machte, musste auch auf diese das Meister- und das allgemeine Markzeichen geschlagen werden (Art. 11 und 12). Die Schmiede verkauften ihre Erzeugnisse nicht selbst, waren also nicht zugleich Wanderhändler, sondern ließen sie durch Mengesleute vertreiben (Art. 9).
Trotz dieser Maßnahmen zur Qualitätssicherung mussten die Friesoyther Schmiedemeister 1692 erneut feststellen, dass ihr Absatz durch allerhandt nicht zunfftmäßige Winckelschmiede in Decadentz unt mercklichen Abgang gebracht worden sei. Diesmal lag die Gefahr darin, dass einige Meister, um der großen Nachfrage (die Vielheit von Schwaden zu machen) zu entsprechen, in zu großer Eile keine taugliche Waare anfertigten. Dem wollte man nun nicht nur durch die Einschärfung der Markierungsvorschrift, sondern auch durch eine Mengen- und Preisbegrenzung beikommen. Niemand sollte mehr als 150 Schwaden im Jahr herstellen und sie nicht billiger als für einen Rtl. je Stück verkaufen dürfen. Als sich drei Schmiede gegen diese Beschränkungen wehrten, weil sie dadurch ihre Freiheit mehr als zuläeßig restringirt sahen, bekräftigte die Gilde sie und verabredete sich deswegen auch mit den auswärtigen Winkelieren (Händlern), weil nur so die alte Qualität und das Ansehen der Friesoyther Schwadenproduktion wiedererlangt werden könnten.
Eine langfristige Besserung haben solche Vorkehrungen aber nicht bewirken können. 1805 hieß es in einem anonymen Reisebericht über Friesoythe: Die Schmiede verarbeiteten das Eisen hauptsächlich zu Sensen, Schaufeln, Spaten, Schneidemessern und dergleichen Werkzeugen; sie verkauften diese Waaren im Großen und in beträchtliche Menge im Münsterischen und in den benachbarten Ländern. Sie lieferten sehr gute Waaren, so wie die jetzigen Schmiede noch viele solche Waaren, von besonderer Güte, im Inn- und Auslande absetzen. Aber die Sauerländischen Fabriken verderben ihnen den Markt. Diese liefern wohlfeilere, wenn auch nicht so dauerhafte, Waaren (...). Bei den sauerländischen Fabriken, gegenüber denen die Friesoyther Schmiedewerkstätten nicht mehr konkurrenzfähig waren, dürfte es sich hauptsächlich um solche im preußischen märkischen Sauerland (z. B. Altena, Lüdenscheid, Plettenberg) gehandelt haben. Dabei werden mehrere Faktoren zusammengespielt haben: die dort günstigere Beschaffung des Werkstoffes Eisen - die Friesoyther mussten das Stabeisen in Ostfriesland, im Oldenburgischen, in Osnabrück und Münster kaufen -, eine „moderne" vorindustrielle Fertigung in großer Stückzahl in Manufakturen und eine wirksamere Absatzorganisation ; denn im Märkischen hatte sich der Typ des Reidemeisters herausgebildet, der zugleich produzierender Unternehmer und „vermarktender" Kaufmann war.
Bereits 20 Jahre vor diesem Verweis auf die sauerländische Konkurrenz hatten die Cloppenburger Beamten in ihrem Jahresbericht für 1785 an den Landesherrn geschrieben: Die Stadt Friesoythe, und die Wigboldte Kloppenburg, Löningen und Essen sind schir ganz von Fabriken, und Manufacturen entblößet, die Einwoner leben daher von den Stedten und Wigboldten nicht angemessenen Ackerbau, und sind also auch nicht in den Flor, worin sie seyn müssten, wenn sie von Fabricken und Manufacturen lebten. Wovon wirtschaftlicher Fortschritt in städtischen und minderstädtischen Zentren abhing, war den Beamten also durchaus bewusst. Allerdings waren die Rahmenbedingungen für die „Protoindustrialisierung" noch schlechter als für eine Modernisierung der Landwirtschaft, wie sie im Fürstbistum Münster nach dem Siebenjährigen Krieg (1756 - 1763) durch verschiedene Maßnahmen (z. B. Anbau von Futterkräutern und Leinsamen, Aufforstung, Markenteilung) angestrebt wurde. Und für Friesoythe darf weder im Blick auf den Verfall des Schmiedehandwerks und den damit verbundenen wirtschaftlichen Niedergang der Stadt noch auf die ausbleibende Ansiedlung von Manufakturen dessen Abgelegenheit als Bedingungsfaktor übersehen werden. Ein Element dieser Abgelegenheit war auch die große Entfernung zur Postlinie Hamburg - Amsterdam, deren Stationen in Cloppenburg und Löningen lagen. Die Verbindung zu diesen Poststationen stellte Friesoythe durch einen Postboten her, der ausweislich der Stadtrechnungen mit 6 Rtl. jährlich besoldet wurde.
Wirtschaftsgeschichte der Stadt Friesoythe, Autor Hermann von Laer (Seite 470)
1.1 Das Schmiedehandwerk
Auffällig ist in dieser Zusammenstellung der Gewerbetreibenden aus dem Jahre 1816 die vergleichsweise große Zahl von Schmieden, die allerdings schon deutlich niedriger war als in manchen früheren Zeiten (1690 gab es z. B. 26 Schmiedemeister in Friesoythe!). Dieses Schmiedehandwerk hatte in Friesoythe eine lange, vermutlich über 1.000-jährige Tradition. Ein recht eindeutiger Beleg hierfür sind die in der romanischen Kirche von Altenoythe (die um das Jahr 1000 herum errichtet wurde) verbauten Schlacke-Steine, die beim Verhütten der örtlichen Eisenvorkommen als Abfallprodukt entstanden. Bis ins 20. Jahrhundert hinein verhüttete man das hier vorkommende Raseneisenerz. Dieses Erz entsteht, wenn eisenhaltiges Grundwasser mit sauerstoffreichem Oberflächenwasser in Kontakt kommt und das Eisen aus dem Grundwasser gelöst wird. Es lagert sich auf diese Weise im Verlauf vieler Jahrhunderte in bis zu 50 cm dicken Schichten im Boden ab - meist unter Heideland und Wiesen - was diese wegen der Wasserdurchlässigkeit oft versumpfen lässt. Das auf diese Weise im Raum Friesoythe entstandene Eisenerz hatte einen Eisengehalt von etwa 50 % und wurde in sogenannten Rennöfen mit dem in Friesoythe reichlich vorhandenen Schwarztorf zu Roheisen geschmolzen. In diesem Roheisen aus der Gegend von Friesoythe müssen sich - anders als im Roheisen, das in anderen Gegenden Norddeutschlands aus Raseneisenerz gewonnen wurde - weitere Substanzen bzw. Materialien befunden haben, die beim Ausschmieden des Eisens zu einem Stahl von hoher Qualität führten. Daher waren die Schmiede-Produkte aus Friesoythe, vor allem Sensen (sogenannte Schwaaden) aber auch Beile und Pflugschare, sehr begehrt, fanden guten Absatz und die Schmiede waren die bei weitem wichtigsten Handwerker im Ort. So heißt es noch im Jahre 1824 bei Ludwig Kohli: „Friesoythe, eine kleine Landstadt am Soestefluß mit 166 Feuerstellen und 862 Einwohnern, die, wie dies in mehreren kleinen Landstädten der Fall ist, zum Teil von Ackerbau und Viehzucht leben (...). Vormals hatte der Ort von vielen hier wohnenden Schmieden vorzügliche Nahrung. Diese verfertigten viele Sensen, Schmiedemesser, Spaten und manch andere eiserne Gerätschaften und Werkzeuge, die in großen Quantitäten im Münsterschen und nach benachbarten Ländern abgesetzt wurden." Der Niedergang des Schmiedehandwerks in Friesoythe, der schon Ende des 18. Jahrhunderts begann, war also schon 1824 weitgehend abgeschlossen. Verantwortlich dafür war, dass andernorts - vor allem im Sauerland - mehr und preiswerter produziert werden konnte. Da zudem die Verkehrswege langsam besser wurden und der Transport sich dadurch vereinfachte, wurden die Produkte aus Friesoythe immer mehr verdrängt, noch ehe die Industrialisierung dieser Art von handwerklicher Produktion endgültig das Ende bescherte. Da der Rückgang bei den Schmiede-Produkten in Friesoythe nicht durch eine Ausweitung anderer Produktionszweige aufgefangen werden konnte, bedeutete dies einen allgemeinen ökonomischen Rückgang für die Stadt. Oder, wie Kohli 1824 schrieb: „der ärmliche Zustand der Stadt rührt wohl hauptsächlich vom Mangel an einträglichen Gewerben her."
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